Die Mobile Demenzberatung des Senfkorns bietet eine pragmatische Unterstützung für Angehörige in der ganzen Grafschaft

Nur für einen kurzen Moment hat Demenzberater Markus Strieker die Wohnung von Günter* verlassen. Er will ihm eine neue Pfeife kaufen, die alte hat Günter verlegt. Als Markus Strieker nach wenigen Minuten zurückkehrt, empfängt Günter ihn mit den Worten: „Michael, wie schön, dich mal wieder zu sehen. Du warst aber lange nicht hier!“

Wenn die Erinnerung verblasst, stehen die Angehörigen oft vor einer unsichtbaren Mauer: Der geliebte Mensch verliert sich in einer Welt, die ihnen fremd bleibt. Demenz trifft nicht nur die Betroffenen selbst – sie fordert auch von den Familien enorme Kraft und Geduld. Unterstützung bietet seit Ende 2019 die Mobile Demenzberatung des Mehrgenerationenhauses Senfkorn in Emlichheim. Das Angebot richtet sich an Angehörige von Menschen mit Demenz in der Grafschaft Bentheim.

Markus Strieker und seine Kollegin Silke Alsmeier, beide gelernte Pflegefachkräfte, kommen zu Klientinnen und Klienten im gesamten Kreisgebiet: „Wir fahren zu den Menschen, betrachten die individuellen Umstände“, erklärt Strieker. Oft könnten bereits kleine Tipps eine große Wirkung erzielen, wie etwa das Anbringen von Schildern mit Symbolen. Strieker betont dabei, dass es nicht bei einem einmaligen Kontakt bleiben muss: „Wenn es gewünscht ist, bieten wir eine dauerhafte Begleitung.“ Unterstützt werden die beiden hauptamtlichen Kräfte durch ein Team von Ehrenamtlichen.

Ganz bewusst nimmt die Mobile Demenzberatung primär die Angehörigen in den Blick: „Demenz ist eine Krankheit, die sich auf das gesamte Umfeld des betroffenen Menschen auswirkt“, sagt Silke Alsmeier. Angesichts der herausfordernden Situation fühlten sich viele Angehörige hilflos und überfordert. Die Mobile Demenzberatung will den Betroffenen deshalb als niedrigschwellige Anlaufstelle mit Rat und Tat zur Seite stehen. Bei der Beratung gehe man mit einem höchstmöglichen Maß an Empathie vor – und niemals mit dem erhobenen Zeigefinger: „Es ist absolut nachvollziehbar, dass einem Menschen die Hutschnur platzt, wenn die eigene Mutter zum 25. Mal fragt, wie spät es ist.“ Grundsätzlich sei die Kommunikation aber von zentraler Bedeutung, wobei es sich empfehle, die drei K’s zu berücksichtigen: nicht korrigieren, nicht kritisieren, nicht kommentieren.

Silke Alsmeier und Markus Strieker unterstreichen, dass Demenzerkrankungen sehr unterschiedlich verlaufen können: Die Symptome reichen von Gedächtnisverlust über Orientierungsprobleme, Sprachstörungen, Verhaltensänderungen, Stimmungschwankungen und Wahnvorstellungen bis hin zu motorischen Einschränkungen und allgemein dem Verlust von Alltagskompetenzen. Die Devise „Kennst du einen, kennst du alle“ gelte also mitnichten: Man beschäftige sich jedes Mal mit einem individuellen Fall.

Ebenso umfangreich ist das Beratungsangebot: Neben Hilfestellungen zum Umgang mit Demenzerkrankten und zur Gestaltung der Häuslichkeit zählt auch die Vermittlung weiterführender Hilfsangebote hinzu. Darüber hinaus unterstützt die Mobile Demenzberatung bei der Eingewöhnung in Tagespflegeeinrichtungen und bietet auch selbst regelmäßige Veranstaltungen an, wie eine Kaffepause und Tischtennisspielen. Sämtliche Leistungen sind für die Klientinnen und Klienten kostenlos, und alles obliegt der Schweigepflicht. Kostenträger sind – nachdem die Mobile Demenzberatung zunächst durch die Deutsche Fernsehlotterie finanziell gefördert wurde – heute zu jeweils 50 Prozent der Landkreis Grafschaft Bentheim sowie die sieben Grafschafter Kommunen.

Immer wieder erleben Silke Alsmeier und Markus Strieker es allerdings, dass die Thematik auch heute noch mit einem großen Tabu behaftet ist. Dies führe dazu, dass Betroffene sich erst sehr spät melden. „Ich weiß, es ist eine Hürde zu sagen: ,Wir haben ein Problem’“, sagt Silke Alsmeier. „Doch eine frühzeitige, unverbindliche Kontaktaufnahme ist immer besser, als das Problem zu verdrängen.“

Die Mobile Demenzberatung ist montags bis donnerstags von 9 bis 15 Uhr unter der Telefonnummer 05943 98589-0 oder per E-Mail an demenzberatung@mgh-senfkorn.de erreichbar.

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